Dienstag, 8. September 2015

Namensänderung für Enbys

Hallo ihr Lieben <3,

dieser Artikel wurde seit seiner Erstfassung mehrmals überarbeitet, vor allem, weil sich die Gesetzeslage seit dem verändert hat. Außerdem verändert sich auch momentan noch vieles, deswegen kann es sein, dass der Artikel, wenn du ihn ließt, schon wieder veraltet ist. Wenn du wirklich up to Date sein möchtest wende dich an deine lokale Transberatungsstelle (oder auch an triq e. V., dgti e. V. oder die Dritte Option) Ich möchte hier auch einige Informationen über meinen persönlichen Weg mit euch teilen, der wahrscheinlich ziemlich ungewöhnlich ist, aber nun ja, ich lege mal los:

Was ist der Personenstand?

Das ist der Geschlechtseintrag, der z. B. auf deinem Reisepass oder in deiner Geburtsurkunde steht. Der Personenstand steht nicht auf dem Personalausweis. Je nachdem welches Geschlecht du bei der Geburt zugeschrieben bekommen hast kann dort Verschiedenes stehen. Wenn da kein Personenstand oder divers steht, ohne, dass du es selbst geändert hast, dann kann es sein, dass du bei der Geburt weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurdest, dazu aber hier mehr:
https://oiigermany.org/thema/materialien/
http://www.im-ev.de/

In diesem Eintrag geht es hauptsächlich darum, wie Menschen, die ihren Personenstand ändern wollen, dies bewerkstelligen können. Im Grunde genommen gibt es in Deutschland momentan 2 Möglichkeiten, die unterschiedliche Ergebnisse erziehlen können und, die auch inklusive einer Namensänderung möglich sind:

1) Namens- und Personenstandsänderung nach TSG (Transsexuellengesetz)

Eine Namensänderung durch das TSG (Transsexuellengesetz) ist im Grunde genommen für sich binär identifizierende transgeschlechtliche Personen gedacht, kann in einigen Fällen aber auch für Enbys möglich sein. Das TSG ist ein Gesetz zur Namens- und Personenstandsänderung von Personen, die sich laut §1 TSG
  • "auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet"
  • "seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben"
  • "mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird"
Nun darf eins laut des TSG bis jetzt nur entweder den männlichen oder den weiblichen Personenstand haben. Bis 2011 war eine Operation Voraussetzung für die Änderung des Geschlechtseintargs, das ist jetzt nicht mehr so! Bis 2011 gab es deshalb
  1. eine sogenannte "kleine Lösung", bei der eine Person die OP nicht brauchte aber trotzdem den Namen ändern konnte, ohne den Personenstand ändern zu können und
  2.  eine sogenannte "große Lösung", bei der eine Person den Namen und den Gechlechtseintrag gleich zusammen ändern konnte, wenn sie die OP hatte machen lassen.
Seit 2011 ist die OP wie gesagt nicht mehr Voraussetzung für die Personenstandsänderung, weshalb viele Menschen mittlerweile die "große Lösung" direkt machen, das heißt sie ändern den Namen und den Personenstand direkt zusammen, weil die Voraussetzungen für beides jetzt gleich sind.
Das heißt aber nicht, dass es die "kleine Lösung" nicht mehr gibt. Laut Gesetz ist es trotzdem noch möglich die "kleine Lösung" zu beantragen, also nur den Namen ändern zu lassen (Ich muss es wissen, genau das habe ich nämlich gemacht!).

Wenn ihr euch also dafür entscheiden solltet die "kleine Lösung" zu beantragen, könnt ihr damit euren Namen ändern. Euer Personenstand bleibt allerdings wie vorher, das muss euch dabei klar sein. Es kann trotzdem eine Möglichkeit sein nur den Namen zu ändern, denn das kann schon Mal Einiges leichter machen.

Wichtig!!!

Was ist wichtig, wenn ihr nur euren Namen mit dem TSG ändern wollt? Wie ihr vielleicht wisst müssen Menschen, die einen Antrag nach dem TSG stellen 2 psychiatrische Gutachten über sich erstellen lassen. Auch ist das TSG-Verfahren, ganz egal ob große oder kleine Lösung, ein Gerichtsverfahren, das auch viel kosten kann, zumindest, wenn ihr keine Prozesskostenhilfe erhaltet (Wenn ihr kein Geld habt um das Verfahren zu bezahlen muss euch Prozesskostenhilfe gewährt werden). So etwas kann sehr kräftezehrend sein und bleibt auch bei der "kleinen Lösung" nicht aus. Wichtig dabei ist aber vor allem, dass ihr Gutachter bekommt, die mit Nichtbinarität kein Problem haben, zumidest soweit ihr euch nicht als binäre Prson "ausgeben" wollt. In eurem formlosen Antrag auf Namensänderung nach dem TSG könnt ihr Gutachter empfehlen und das Gericht kann diese empfohlenen Gutachter auch beauftragen, muss es aber nicht. Es kann auch andere Gutachter nehmen.
Es ist also ratsam, bevor ihr einen Antrag stellt, Transberatungsstellen in eurer Region zu kontaktieren. Diese wissen meist am besten, welche Gutachter in deiner Region nett zu Enbys sind und zu welchen ihr lieber nicht gehen solltet, weil sie sehr binär und altmodisch denken. Ich muss sagen, dass ich Glück hatte mit meinen Gutachtern, das muss aber nicht bei allen so klappen. Die Transberatungsstelle kann euch auch weiteren Fragen zum TSG beantworten und euch bei eurem Antrag unterstützen. Ihr solltet dann die beiden Gutachter kontaktieren, die ihr ausgesucht habt und fragen, ob sie ein nicht-binäres Gutachten schreiben würden. Das am besten auch per Mail, damit ihr später nochmal darauf zurückkommen könnt wenn es so weit ist. Meine beiden Gutachter waren glücklicherweise bereit dazu nicht-binäre Gutachten zu verfassen. Damit sich eure Gutachter informieren können, sollten sie bei dem Thema unsicher sein, könnt ihr ihnen auch sagen, dass die neuen S3-Leitlinien zur Diagnostik, Beratung und Behandlung von Transpersonen besagen, dass ca. 1/3 aller transgeschlechtlichen Personen sich weder männlich noch weiblich identifizieren.

Klar ist es durch diese Methode bis jetzt nicht möglich, den Personenstand zu ändern, aber zumindest den Namen und das kann auch schonmal was bringen.

2) Namens- und Personenstandsänderung nach §45b des Personenstandsgesetzes (PStG)

Eine Namens- und Personenstandsänderung nach § 45b PStG ist seit Januar 2019 möglich. Hiernach können Menschen mit der Diagnose "Variante der Geschlechtsentwicklung" ihren Personenstand in "divers" oder männlich oder weiblich ändern oder streichen lassen.Gleichzeitig lässt sich damit auch der Namen ändern. Nach der Aktion Standesamt 2018 sollte dies auch für nicht-binäre Menschen möglich sein. Auch der Beschluss des Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2019/16) vom 10. Oktober 2017 lässt diese Option, vor allem in Randnummer 59, zu. Was die Standesämter daraus machen wird sich in Zukunft zeigen.
Die Kritik der Aktion Standesamt 2018 zielt auch darauf, dass der Geschlechtseintrag "divers" nicht für alle Menschen passend ist, die sich weder männlich noch weiblich identifizieren und, dass eine Attestpflicht überhaupt nicht geht, weil so eine Pathologisierung total fremdbestimmend ist.

Wie funktioniert das Ganze aber?

Menschen, welche die Diagnose "Variante der Geschlechtsentwicklung" erhalten haben (z. B. von eine*r Allgemeinmediziner*in/ Hausärzt*in) können damit zum Standesamt gehen, das für den Bezirk zuständig ist, in dem sie gemeldet sind. Außerdem müssen sie die Geburtsurkunde und den Personalausweis mitbringen. Beim Standesamt müssen sie dann meist zur Urkundenstelle, dort wo auch die Geburtsurkunden für Babys ausgestellt werden, aber je nach Standesamt kann das unterschiedlich sein, also besser vorher lokal informieren. Dort müssen die Standesbeamt*innen dann den Personenstand und Namen auf die gewünschte Weise ändern.
Es kann sein, dass sich an einigen Orten Standesämter dagegen streuben dies zu tun. Das dürfen sie aber eigentlich nicht, solange die Diagnose vorliegt. Es gilt außerdem, dass die Standesbeamt*innen nicht berechtigt sind, irgendwelche Angaben über persönliche medizinische Informationen zu erhalten, außer das Attest. Keins muss und sollte also irgendetwas über die persönliche Identität erzählen.
Beim Personenstand stehen dann 4 Optionen zur Auswahl: weiblich, männlich, divers, kein Eintrag (bzw. Personenstandsstreichung).
Bei der Namenswahl sollte darauf geachtet werden, dass die meisten Standesämter vorher prüfen ob es den gewünschten Namen gibt. Das kann bedeuten, dass ihr vorher ein bisschen recherchieren müsst, um zu belegen, dass euer Name schon vorher als Name verwendet wurde. Außerdem kann das im schlimmsten Fall bedeuten, dass das Standesamt euren Namen nicht ändert, wenn es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass euer Name irgendwo schonmal als Name verwendet wurde.

Tipp

Wie bei der Anhörung zum TSG-Verfahren dürft ihr auch beim Standesamt immer eine Person mit in das Büro nehmen. Das kann ganz hilfreich sein, um emotionalen Support zu haben und auch eine*n Zeug*in dafür, falls sich die*der Standesbeamt*in uncool verhällt. Wenn ihr eine Transberatungsstelle in der Nähe habt kann euch vielleicht auch von dort eine Person mit Ahnung zum Thema begleiten. Das kann sehr hilfreich sein, vor allem, wenn es um die Durchsetzung des gewünschten Namens geht. Informiert euch auch vorher, gerade bei Namen von denen ihr euch nicht sicher seid, ob das Standesamt sie zulassen wird darüber, wo diese Namen ansonsten stehen könnten (z. B. Babynamen-Datenbanken usw.).

Falls es noch Ergänzungen/ Kritik/ Änderungswünsche hierzu gibt: nur her damit, ich weiß auch nicht alles und die Angaben sind auch ohen Gewehr und sollten auf jeden Fall nochmal selbst von euch nachgeprüft werden, auch weil ich nicht immer die Zeit habe das Ganze zu aktualisieren ;)!


Ich wünsche allen die es versuchen wollen ganz viel Glück dabei!


Alles Liebe

1 Kommentar:

  1. Hey Kai*, danke für diese übersichtliche und gut erklärte Zusammenstellung zu diesem Thema! Richtig gut recherchiert und dokumentiert und selbst Details wie die Möglichkeit, sich aufs Amt begleiten zu lassen, erwähnt und beschrieben. Sofern jemand mehrere neue Vornamen beantragt, reicht es meines Wissens nach (habe jedoch auf die Schnelle keine Quelle dazu zur Hand), wenn einer von denen (vermeintlich) "eindeutig geschlechtszuweisend" ist, also ein Mann/Männlichekit/* des Namens Manuel Tim Maria wäre möglich.
    Ich hoffe, mit dieser Anleitung werden sich künftig noch mehr Personen trauen, ihren Namen auch jenseits des TSG zu ändern. Merci!

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